Wunderwaffe Recycler?
Entsorgungsproblematik sorgt für Aktivität auf dem Spülbohrmarkt
Seitdem im vergangenen Jahr in Niedersachsen gebrauchte Bohrspülung per aktualisierter Gesetzesauslegung zum Problem (Abfall) gemacht wurde, werden Recycler und Zentrifugen aller Orts als DIE Lösung des inzwischen nahezu bundesweit bestehenden Problems angepriesen, auch und vor allem für die Kleinbohrtechnik.
Unabhängig davon, wie sich sie sich zusammensetzt, welche Inhaltsstoffe sie aufweist und ob sie in irgendeiner Form ein Schädigungspotenzial für die Umwelt besitzt, ist die gebrauchte Bohrspülung allein auf Grund der Tatsache, dass man sie am Ende der Baumaßnahme nicht mehr braucht, Abfall.
Dieses recht undifferenzierte Vorgehen sorgt für erhebliche Probleme bei der Entsorgung gebrauchter Bohrspülung, insbesondere im Bereich der Kleinbohrtechnik mit ihren schnell wechselnden Einsatzorten und Randbedingungen. Spülungswiederaufbereitung mittels Recyclingsystemen ist in der HDD-Großbohrtechnik schon seit Jahrzehnten gängige Praxis und dort unerlässlich. Die Kosten für die Bohrspülung und die herzustellenden und zu entsorgenden Volumen werden dabei dermaßen drastisch reduziert, dass eine Diskussion über das Für und Wider gar nicht erst aufkommen kann. Aber sind diese Vorteile auch uneingeschränkt und vor allem ökonomisch sinnvoll auf die Kleinbohrtechnik mit ihren Tagesbaustellen übertragbar?
Betriebswirtschaftlich könnte das eigentlich jeder selbst bewerten, durch Vergleich der Investitions- und Betriebskosten mit der Einsparung, die er durch diese Geräte bei der Herstellung und fachgerechten Entsorgung der Bohrspülung erzielt. Doch ist das tatsächlich so einfach? Was verändert die Anschaffung eines Recyclers, ggf. gleich zusammen mit einer Zentrifuge, für den einzelnen Bohrunternehmer in seiner täglichen Arbeit? Inwieweit löst diese Investition vor allem die bestehende Entsorgungsproblematik?
Volumenreduzierung auf Kosten von Spülungsqualität und Tagesleistung?
In erster Linie reduziert ein Wiederaufbereitungssystem für Bohrspülung das herzustellende und das zu entsorgende Spülungsvolumen, das trifft auch auf die Kleinbohrtechnik zu, wird jedoch immer mehr zur Nebensache, je kleiner die Bohrungen sind. Die zurückkommende Bohrspülung wird in mehreren Stufen vom Feststoff (Bohrklein) getrennt und kann erneut verwendet werden. Dazu ist allerdings immer eine Konsistenzkontrolle und Nachbehandlung erforderlich, denn nach dem Recyclingprozess hat die Spülung in aller Regel nicht mehr die Eigenschaften, die sie beim ersten Anmischen hatte. Häufig ist jedoch zu beobachten, dass die Spülung ohne Kontrolle erneut verpumpt wird, nicht selten geschieht dies mehrfach und am Ende wird mit einer Spülung gearbeitet, die weit von den ursprünglich gewünschten Eigenschaften entfernt ist, fast immer sind Viskosität und Tragfähigkeit drastisch reduziert.
Ein exakt auf den jeweiligen Baugrund abgestimmtes Anmischen der Bohrspülung findet im Verlaufe der Bohrung kaum noch statt. Wenn die Bohrspülung jedoch ihre ursprünglichen Eigenschaften nicht mehr besitzt, kann sie auch die ihr zugedachten Aufgaben nicht mehr erfüllen – bohrtechnische Probleme sind dann vorprogrammiert.
Neben der messtechnischen Überwachung der rheologischen Spülungsparameter ist auch die permanente Kontrolle der Effektivität des Recyclingsystems notwendig, sprich: Sandgehalt! Eine kleine Nachlässigkeit in diesem Punkt kann in kurzer Zeit dazu führen, dass die meist relativ empfindlichen Hochdruckpumpen der Bohrgeräte Schaden nehmen – in der Regel ist das sehr kostenintensiv und taucht vorab in keiner Kosten-Nutzen-Kalkulation auf. Defekte Siebe, verstopfte oder überlastete Zyklone sind die häufigste Ursache für eine unzureichende Sandabtrennung.
Ohne deutlich höheren personellen Aufwand ist die notwendige Überwachung jedoch kaum zu leisten. Aber auch mit zusätzlichem Personaleinsatz ist zu beobachten, dass – bedingt durch die begrenzte Kapazität der Recyclingsysteme und Zentrifugen sowie den ungewohnten Kontroll- und Bedienungsaufwand – die Tagesleistung der Bohrmannschaft häufig abnimmt.
Für die effektive Nutzung der Vorteile von Recyclern ist auch wichtig, dass man es mit Böden zu tun hat, die sich mit herkömmlicher Separationstechnik von der Bohrspülung trennen lassen. Wer überwiegend in bindigen Böden arbeitet, wird schnell merken, dass hier die Feststoffabscheidung und Dichtereduzierung über den Recycler unzureichend ist und dass sich die Qualität der Bohrspülung mit jedem Umlauf verschlechtert.
Anpassung der Bohrspülung an den Baugrund steht an erster Stelle
Eines sollte man noch bedenken: Die Bohrspülung muss in erster Linie an den zu durchbohrenden Baugrund angepasst werden; damit muss dann die vorhandene Wiederaufbereitungsanlage zurechtkommen. Wer versucht, die Bohrspülung an die Möglichkeiten des Recyclingsystems anzupassen, stößt bohrtechnisch schnell wieder an längst überwunden geglaubte Grenzen.
Die Kleinbohrtechnik hat in den letzten 15 Jahren enorme Fortschritte gemacht, es sind heute Bohrungen möglich, an die vor Jahren nicht zu denken war. Nicht nur Bohrleistung, realisierbare Längen und Durchmesser haben sich positiv entwickelt, auch der Bereich der als bohrtechnisch beherrschbar eingestuften Bodenarten hat sich deutlich erweitert. Neben der Weiterentwicklung von Bohranlagen, Ortungstechnik und Werkzeugen hat daran auch die Bohrspülung einen
nicht unerheblichen Anteil. Spezialsysteme für verschiedene Böden oder neuentwickelte Additive haben die Leistungsgrenzen weit nach oben verschoben. Das betrifft auch die Vermeidung von Schäden, wie Hebungen, Setzungen oder Ausbläser.
Die Verwendung solcher Systeme oder Produkte bedeutet nicht automatisch, dass sich die Umweltverträglichkeit der eingesetzten Bohrspülung verschlechtert. Auch mit Additiven versetzte Bentonite oder Bohrspülungen
können bei einer Untersuchung gemäß LAGA oder Deponieverordnung völlig unbedenklich abschneiden.
Wo aber bliebe zum Beispiel der Vorteil dieser spülungstechnischen Entwicklungen beim Einsatz von zentralen Wiederaufbereitungsstationen, auf denen Bohrspülungen der unterschiedlichsten Konsistenz und Zusammensetzung gemeinsam wiederaufbereitet und zur erneuten Nutzung bereitgestellt werden? Spülungstechnisch wäre das ein Schritt zurück und allenthalben für sehr einfache Projekte mit gleichen geologischen Verhältnissen und unter Verwendung von Einsack-Bentonitsystemen praktikabel.
Das ist allerdings nur die eine Seite der Medaille: Durch eine zentrale Wiederaufbereitung von Bohrspülungen verschiedener Standorte würden nicht nur die Spülungseigenschaften vereinheitlicht, auch an einem Ort ggf. aus dem Untergrund aufgenommene Schadstoffe könnten auf diese Art und Weise weiträumig verteilt werden. Anders als beim Neuansatz von zertifizierten Spülungsprodukten kann sich der Anwender in diesen Fällen nicht mehr sicher sein, dass er die Bohrung
mit umwelttechnisch unbedenklicher Bohrspülung ausführt.
Auch recycelte Bohrspülung muss entsorgt werden
Unbestrittener entsorgungstechnischer Vorteil von Recyclinganlagen ist sicherlich die Abtrennung des Bohrkleins, da das nun baggerfähige Material über die herkömmlichen Entsorgungswege verbracht werden kann. Was passiert jedoch mit der flüssigen Phase nach Abschluss der Projekte? Als zweite Wunderwaffe werden hier die Zentrifugen ins Spiel gebracht, sehr kostenintensiv und ebenfalls nicht von alleine laufend.
Diese können den gesamten Feststoff aus der Bohrspülung abscheiden, also auch alle bindigen Bestandteile. Um am Ende auch das Bentonit abzuscheiden, sind allerdings immer chemische Hilfsstoffe erforderlich, sogenannte Flockungsmittel. Das wiederum sind in vielen Fällen vollsynthetische Polymere, meist von der Art, die man bei der Auswahl der Spülungsadditive vorher versuchte zu vermeiden. Wenn es im Horizontalspülbohrverfahren polymerfreie Bentonite als Bohrspülungsgrundlage geben würde (die es ganz vereinzelt tatsächlich gibt), spätestens an dieser Stelle wäre es damit dann vorbei. Übrig bleibt mehr oder weniger klares Wasser – das alle gelösten Inhaltsstoffe der Bohrspülung enthält und darüber hinaus auch die aus dem durchbohrten Boden ggf. aufgenommenen Schadstoffe. Dieses "Wasser" ist häufig nicht für die Herstellung neuer Spülung geeignet (Inhaltsstoffe unbekannt) und es kann in keinem Fall ohne vorherige Analyse und Genehmigung irgendwo eingeleitet werden (Versickerung inbegriffen). Es ist – wie auch die Bohrspülung, der es entstammt – ein nachweislich zu entsorgender Abfall.
Recycler können bei geeigneten Rahmenbedingungen, z.B. separierfähige Böden und ausreichendes Spülungsaufkommen, zweifellos auch für kleine und mittlere Bohranlagen eine sinnvolle Investition darstellen, auch Phrikolat verschließt sich diesem Trend nicht. Die Phrikolat Drilling Specialties GmbH bietet über ihren holländischen Partner speziell für diesen Bereich mobile Recyclingtechnik der neuesten Generation an. Interessenten sollten sich jedoch nicht allein von der allgemeinen Entsorgungspanik leiten lassen und die Vor- und Nachteile genau abwägen.
in großer Teil der aktuellen Probleme bleibt auch mit Recycler und Zentrifuge bestehen, neue Probleme kommen hinzu. Recyclingsysteme trennen die Feststoffe aus der Bohrspülung ab und können das zu entsorgende Volumen reduzieren. Sie
lassen jedoch keine Bohrspülung verschwinden. Ohne geeignete Entsorgungsmöglichkeit für die auch weiterhin anfallende gebrauchte Bohrspülung, und sei es nur deren flüssige Phase, geht es auch mit diesen Systemen nicht.
Bei passenden Rahmenbedingungen könnte ein gut in das System der kleinen oder mittleren Bohranlagen integrierter Recycler allerdings noch etwas anderes bewirken: Er könnte den vielerorts zu beobachtenden Minimaleinsatz von Spülung bei der Ausführung von größeren Bohrungen vermeiden. Ein Umstand, der nicht den Spülungskosten, sondern der aktuellen Entsorgungsproblematik geschuldet ist und der der Grund für die überwiegende Mehrheit aller bohrtechnischen Probleme und festgezogenen Rohre ist. Aktuell ist dieser Trend jedoch noch nicht zu beobachten, im Gegenteil, es wird häufig auch mit Recycler versucht, mit möglichst wenig Spülung zu bohren, um die Probleme und den Aufwand mit der ungewohnten
Technik zu minimieren.
Durch den Boden nicht zusätzlich belastete Bohrspülung ist bei geeigneter Rohstoff- und Additivauswahl kein Schadstoff, nicht umweltgefährdend und nicht gesundheitsschädlich, auch wenn ihr – oft aus Unkenntnis und damit verbundener Unsicherheit – von behördlicher Seite seit Jahren ein nicht nachvollziehbares Gefährdungspotenzial und eine dementsprechende Bedeutung beigemessen werden. Es gibt andere, weitaus problematischere Industrie und Gewerbeabfälle, auch in flüssiger Form und mit sehr großem Aufkommen, für die es geordnete Entsorgungswege gibt. Hier, bei den Entsorgungsfachbetrieben, liegt das eigentliche Potenzial zur Lösung des aktuellen Problems.
Verzicht auf Additive – löst das die Probleme?
Nicht selten findet sich in Ausschreibungen oder Genehmigungsbescheiden die Forderung nach Verwendung polymerfreier Bentonite und Verzicht auf Additive. Andere wieder fordern den Verzicht auf Bentonit und den Einsatz von Polymerspülungen. Davon abgesehen, dass ersteres eine unrealistische und nur in Ausnahmefällen realisierbare Forderung ist, macht sie jetzt, wo ein Ausbringen der gebrauchten Bohrsuspension auf landwirtschaftlichen Flächen keine Option mehr
ist, auch wenig Sinn. Einzig das Ausführungsrisiko für den Unternehmer wird dadurch erhöht.
Entsorgungstechnisch negative Einstufung gebrauchter Bohrspülung hat in den allermeisten Fällen ihre Ursache in Kontaminationen aus dem durchbohrten Baugrund. Die ggf. im Promillebereich eingesetzten Spülungsadditive sind dafür in der Regel nicht verantwortlich. Mehr als 99% aller HDD-Bohrungen werden mit Bentoniten ausgeführt, die Polymere enthalten. Für die Anforderungen dieser Technik (geringe Einsatzmenge, schnelle Einsetzbarkeit) wird dies auch in Zukunft unabdingbar sein. Die Forderung nach einem Verzicht auf Additive (Polymere) ist mithin also genauso unrealistisch, wie die Forderung, den CO2-Ausstoß von Dieselfahrzeugen auf null zu senken. Kein Bohrmeister setzt zusätzlich Additive ein, wenn er dies nicht für die Erbringung der ihm übertragenen Leistung als unbedingt notwendig erachtet.
Und häufig genug verlangen die ständig wachsenden Anforderungen der Planer und Auftraggeber eine maximale Ausnutzung der spülungstechnischen Möglichkeiten. Einschränkungen in diesem Bereich würden die Leistungsgrenzen der Horizontalbohrtechnik, und zwar insbesondere der Kleinbohrtechnik, deutlich nach unten korrigieren, das weiß jeder, der in der Vergangenheit komplizierte Horizontalbohrungen ausgeführt hat. Der umwelt- und entsorgungstechnische Vorteil solcher Forderungen ist in Anbetracht der Art der überwiegend zum Einsatz kommenden Additive mehr als fraglich.
Additive und Recycling/Entsorgung: Nicht zwingend ein Widerspruch
Unabhängig von der aktuellen Entsorgungsproblematik ist Phrikolat permanent bestrebt, möglichst umweltverträgliche Additive zu entwickeln und die Einsatzempfehlungen auf das technisch notwendige Minimum zu reduzieren. Für die meisten voll- oder halbsynthetischen Additive hat Phrikolat gleichwertige Alternativen aus anorganischen oder biologisch abbaubaren Produkten im Programm. Das hat nicht nur einen umwelttechnischen Vorteil, es verbessert auch deutlich die Recyclingfähigkeit der so hergestellten Spülungsrezepturen. Und das ist ja nicht unwichtig für diejenigen, die sich für einen Recycler entscheiden oder schon entschieden haben.
Seit einiger Zeit arbeitet Phrikolat zusammen mit einem weltweit tätigen Baustoffunternehmen an einer Möglichkeit, gebrauchte Bohrspülung oder bei Bedarf auch nur deren flüssige Phase umweltfreundlich und ökonomisch vertretbar durch Zugabe eines Additivs einzudicken und damit bagger- und deponiefähig zu machen. Die ersten Tests hierzu verliefen bereits sehr erfolgversprechend.
Autor: Dipl.-Ing. Oliver Knopf, Phrikolat Drilling Specialties GmbH